Krisen kündigen eine Transformation an
„Zeitgemässe Erneuerung des Ordenslebens heisst: ständige Rückkehr zu den Quellen jedes christlichen Lebens und zum Geist des Ursprungs der einzelnen Institute, zugleich aber deren Anpassung an die veränderten Zeitverhältnisse… Letzte Norm des Ordenslebens ist die im Evangelium dargelegte Nachfolge Christi.“ (Dekret des Konzils über die zeitgemässe Erneuerung des Ordenslebens Nr. 2)
„Wir stehen in einer Zeit der Krise, und es ist sehr hoffnungsvoll, an diesem Ort zu sein… Krisen kündigen eine Transformation an.“ So diagnostizierte die von der Glaubenskongregation angegriffene Sr. Pat Farrell die Situation der Frauenorden (und damit der Kirche) in den USA.
Im Leben der Kirche spielen die Ordensgemeinschaften seit je eine besondere Rolle. Die Auszeichnung der US-amerikanischen Nonnen durch die Herbert-Haag-Stiftung für Freiheit in der Kirche (am 14. April 2013) nimmt der Katholische Dialog zum Anlass, über die Erneuerung der Orden – insbesondere der Frauenorden – gemäss dem 2. Vatikanischen Konzil ein transatlantisches Gespräch zu führen. Impulsgeberinnen sind Sr. Pat Farrell und Sr. Ingrid Grave.
Sr. Pat Farrell, Franziskanerin USA
Sr. Pat Farrel war bis August 2012 Präsidentin der Leadership Conference of Women Religious (LCWR).
- A creative response to the signs of the times
Our new Pope Francis brings attention to Francis of Assisi. The lives of Francis and Clare of Assisi in the 12th Century reveal something of what religious life is called to be at this moment in our Church and world: a creative response to the signs of the times, making the Gospel present in a fresh way, rebuilding the Church and inspiring hope.
Unser neuer Papst Franziskus lenkt die Aufmerksamkeit auf Franz von Assisi. Franz und Klara haben durch ihr Leben im 12. Jahrhundert etwas zum Ausdruck gebracht, das ein Aufruf ist an das Ordensleben in diesem historischen Augenblick unserer Kirche und unserer Welt: eine kreative Antwort auf die Zeichen der Zeit, die das Evangelium auf eine überraschende Weise präsent macht, die Kirche neu aufbaut und zur Hoffnung inspiriert.
- An evolved understanding of authority and obedience
In the fifty years following Vatican II, American women religious have made significant shifts in community life, leading to an evolved understanding of authority and obedience.
In den 50 Jahren seit dem Konzil haben die US-amerikanischen Ordensfrauen bedeutungsvolle Entwicklungen ihres Gemeinschaftslebens durchgemacht, die zu einem gereiften Verständnis von Autorität und Gehorsam geführt haben.
- Open to evolving expressions of religious life
The present moment is one of enormous paradigm shift which opens us to new manifestations of the divine. New understandings invite us to be open to evolving expressions of religious life.
Gegenwärtig stehen wir in einem gewaltigen Paradigmenwechsel, der uns Tore zu neuen Erscheinungsformen des Göttlichen öffnet. Neue Einsichten laden uns ein, offen zu sein für Ausdrucksweisen des Ordenslebens, die sich neu entfalten.
Sr. Ingrid Grave, Dominikanerin an der Predigerkirche Zürich
Ingrid Grave wirkte früher aktiv in der Ordensleitung von Ilanz mit.
- Wir müssen selber aufbrechen
Wenn die Orden ein prophetisches Zeichen in unserer Zeit sein wollen, dürfen sie nicht warten auf einen Anstoss von aussen, auch nicht von Rom. Wir müssen selber aufbrechen im Horchen auf die Zeichen der Zeit.
If the Orders want to be a prophetical sign in our time, they may not wait for an impetus from outside, and also not from Rome. We must open up ourselves, taking heed of the signs of the time.
- Antwort auf die spirituelle Suche moderner Gesellschaften
Die Frauen-Kongregationen, die sich hauptsächlich im 19. Jh. bildeten, werden nur Zukunft haben, wenn sie sich von innen heraus spirituell erneuern. Aus dieser Erneuerung heraus werden sie Aufgaben entdecken, um auf die spirituelle Suche moderner Gesellschaften eine Antwort zu geben.
The women congregations that were mainly established in the 19th Century will only have a future if they renew themselves spiritually from within. Out of this renewal they will discover projects that give an answer to the spiritual searches of modern society.
- Reflexion auf Gottesbild und religiöse und liturgische Sprache
Wir in den Orden haben unser Gottesbild zu hinterfragen, wie auch unsere religiöse und liturgische Sprache, wenn wir dem Nicht-mehr-glauben-können heutiger Menschen etwas entgegen setzen wollen. Das wäre für mich eine Form von Neu-Evangelisierung.
We in the Orders must question the way we see God and also our religious and liturgical language if we wish to respond to the people of today who are not able to believe any more. That would be a form of new-evangelization for me.
Medienmitteilung: Die US-amerikanische Franziskanerin Pat Farrell zum Ordensleben heute – Krisen kündigen eine Transformation an“
Paul Jeannerat / 16.4.13 (Kipa)
In den 50 Jahren nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965) haben die US-amerikanischen Ordensfrauen zu einem gereiften Verständnis von Autorität und Gehorsam gefunden und sich geöffnet für neue Ausdrucksweisen des Ordenslebens. Davon legte Pat Farrell ein engagiertes Zeugnis ab. Die US-amerikanische Franziskanerin trat am Montag am 20. Katholischen Dialog im RomeroHaus in Luzern auf. Und die Dominikanerin Ingrid Grave empfahl den Orden in der Schweiz, sich von den Impulsen aus Amerika inspirieren zu lassen.
In der Reihe zu 50 Jahre Zweites Vatikanisches Konzil nahm der 20. Katholische Dialog die Vorgabe des Dekretes Über die zeitgemässe Erneuerung des Ordenslebens (Perfectae caritatis Nr.2) auf: “Rückkehr zu den Quellen und zum Geist des Ursprungs”. Anlass dazu bot die Auszeichnung des US-amerikanischen Dachverbands der Ordensfrauen durch die Herbert-Haag-Stiftung für Freiheit in der Kirche, die Pat Farrell am Sonntag in Luzern entgegen nahm. Farrell war bis August vergangenen Jahres Präsidentin des Leadership Conference of Women Religious.
Der Dachverband der Frauenorden der USA kam im April vergangenen Jahres unter heftigen Beschuss der vatikanischen Glaubenskongregation. Den Ordensfrauen wurde vorgeworfen, ihre Position zu Abtreibung, Priesterweihe für Frauen, Feminismus und Homosexualität wichen von der katholischen Lehre ab. Der Vorstand wies alle Vorwürfe argumentativ zurück.
Kreative Antworten auf die Zeichen der Zeit
In den Thesen, die Farrell am Montag vorlegte, begründete sie diese Krise damit, dass die Ordensfrauen sich bemühten, kreative Antworten auf die Zeichen der Zeit zu suchen. Durch die Auseinandersetzung mit den Herausforderungen der heutigen amerikanischen Gesellschaft hätten sie bedeutungsvolle Entwicklungen ihres Gemeinschaftslebens durchgemacht und zu einem “gereiften Verständnis von Autorität und Gehorsam” gefunden.
Die US-amerikanischen Ordensfrauen seien offen für “neue Erscheinungsformen des Göttlichen” und für neue Ausdrucksweisen des Ordenslebens. Es sei eine ihrer “aufrichtigsten Hoffnungen”, das Klima der Polarisation, das in der Kirche herrsche, “heilen zu helfen”, sagte Farrell. So ringen die Nonnen den Auseinandersetzungen mit Rom eine positive Seite ab: “Wir stehen in einer Zeit der Krise…Krisen kündigen eine Transformation an.”
Impulse für das Ordensleben in der Schweiz
Die Initiativen, mit denen die US-amerikanischen Ordensfrauen Kirche und Gesellschaft erneuern, bieten auch Impulse für die Ordensleute in der Schweiz. Die Dominikanerin Ingrid Grave, die an der Predigerkirche Zürich im Bereich Ökumene und Meditation tätig ist, nahm die Vorgaben der amerikanischen Nonnen auf. „Unsere Mitschwestern in Amerika haben sich auf einen Weg gemacht, den wir noch vor uns haben: die Auseinandersetzung mit der Welt von heute“, sagte sie.
Grave erinnerte daran, dass die Frauen-Kongregationen, die sich hauptsächlich im 19. Jahrhundert gebildet haben, der Krankenpflege und der Mädchenbildung verpflichteten waren, Aufgaben, die heute die Zivilgesellschaft erbringt. Im Hinblick auf die heutigen Herausforderungen formulierte sie sodann in einer ihrer Thesen: „Wir Ordensgemeinschaften werden nur Zukunft haben, wenn wir uns von innen heraus spirituell erneuern. Aus dieser Erneuerung werden wir neue Aufgaben entdecken, um auf die spirituelle Suche moderner Gesellschaften eine Antwort zu geben, und so unsere prophetische Sendung erfüllen.“
90 Personen beteiligten sich am 20. Katholischen Dialog, darunter zahlreiche Ordensleute. – Die Katholischen Dialoge werden vom Forum für offene Katholizität (FOK) in Zusammenarbeit mit dem Verein tagsatzung.ch und dem RomeroHaus Luzern durchgeführt.