Die herkömmliche Sprache, in der die christliche Theologie – katholisch oder evangelisch – noch heute daherkommt, ist von den Inkulturationsbemühungen der ersten Jahrhunderte unserer Zeitrechnung geprägt und spiegelt eine patriarchale, spiritualisierte und imperiale Denk- und Lebensweise. Während die dogmatische und philosophische Sprache des Hellenismus (vor allem des Neuplatonismus) und der Scholastik nach wie vor das theologische Sprechen und Denken bestimmt, herrscht in Pastoral und Liturgie vielfach eine Glaubenssprache vor, die in einer der ersten drei kindlichen Phasen der religiösen Entwicklung (nach Fritz Oser) steckengeblieben ist.
Trotz vieler Bemühungen um eine gendergerechte Sprache (z.B. Bibel in gerechter Sprache) und um nicht-imperiale Metaphern für das Göttliche ist theologisches und pastorales Sprechen und Nachdenken noch stark von männlichen Stereotypen geprägt und offenbart totalitäre und feudalistische Autoritäts- und Machtvorstellungen. Der alte Mann mit wehenden grauen Haaren, wie er von Michelangelo verewigt wurde, prägt grosse Teile des kollektiven Unbewussten sowohl von religiös sozialisierten Menschen wie auch von religiösen Analphabetinnen. Der Dialog über die Bedeutung für Theologie und Praxis wird moderiert von Erwin Koller, Begründer der Sternstunden des Schweizer Fernsehens und Präsident der Herbert Haag-Stiftung für Freiheit in der Kirche. Es wirken mit:
Regula Grünenfelder, feministische Theologin
Sie ist Bildungsbeauftragte beim Schweizerischen Katholischen Frauenbund und Leiterin der Fachstelle Feministische Theologie des Vereins FrauenKirche Zentralschweiz.
Bernd Lenfers-Grünenfelder, Theologe und Gemeindeleiter der Pfarrei St. Johannes in Zug
Zusammen mit seiner Frau hat er Erde und Licht: Mit dem Johannesevangelium auf den Spuren unserer Lebenswünsche (2004) herausgegeben.
Medienmitteilung: Beziehungssprache in Theologie und Pastoral
Paul Jeannerat / 1. Juni 2015
Das Wort von Martin Buber „Ich habe keine Lehre, ich führe ein Gespräch“ dominierte den Katholischen Dialog über Neue Glaubenssprache in Theologie und Pastoral: Glaubensverkündigung in Unterricht und Gottesdienst sollte dialogisch sein, darf das Empfinden der Angesprochenen nicht übertünchen, soll vielmehr den Glauben anstossen, eher narrativ als lehrmässig sein, muss auf Übersinnliches hinweisen, ohne es erklären zu wollen – und führt zu Schweigen und Stille.
Nachdem die Katholischen Dialoge 2014/15 in der Reihe „Den Glauben neu denken und zur Sprache bringen“ darum rangen, wie die grossen Festtage des Glaubens – Weihnachten, Ostern, Pfingsten – in zeitgenössischer Sprache verständlich gemacht werden, thematisierte der 35. Katholische Dialog die neue Glaubenssprache in Theologie und Pastoral in grundsätzlicher Weise.
Gemäss dem Konzept der Katholischen Dialoge werden jeweils eine Fachperson der Theologie um theoretische Erläuterungen und eine Fachperson der Seelsorge um praktische Anwendungen zu einem bestimmten Thema gebeten. Dieses Mal war es anders: die Referentin und der Referent sind ein Theologen-Ehepaar, zwar in unterschiedlichen Bezugsfeldern tätig, aber intensiv und kreativ miteinander arbeitend. Die feministische Theologin Regula Grünenfelder konnte aus ihrer Erfahrung als Bildungsbeauftragte beim Schweizerischen Katholischen Frauenbund und Leiterin der Fachstelle Feministische Theologie des Vereins Frauenkirche Zentralschweiz schöpfen, und der Theologe Bernd Lenfers-Grünenfelder konnte aus der seelsorgerlichen Praxis als Gemeindeleiter der Pfarrei St. Johannes Zug berichten. Sie stellten sich dem Thema „Neue Glaubenssprache in Theologie und Praxis“, indem die Theologin vorgelegte Thesen erläuterte und der Theologe dazu Geschichten erzählte. Eingestreut in diesem Darlegungen wurden Fragen und Voten der Teilnehmenden, fachgerecht hervorgerufen und gebündelt von Erwin Koller, dem ehemaligem Moderator der Sternstunden bei SRF. So ergab sich ein Dialog, der dem als These gesetzten Wort von Martin Buber voll entsprach: „Ich habe keine Lehre, ich führe ein Gespräch“.
Intensiv wurde diskutiert über die Gestaltung von Beerdigungsfeiern. Da ist die Sprache besonders sorgfältig zu gestalten, weil die Teilnehmenden sehr heterogen sind: Gläubige, vertraut mit der liturgischen Sprache, und Fernstehende, die nur selten an Gottesdiensten teilnehmen. Dabei gilt: Nie lügen, nichts sagen, was unwahr ist, nichts versprechen, was wir selber nicht glauben.
An aktuellen Beispielen zeigten Referentin und Referent auf, wie totalitäre Machtvorstellungen und männliche Stereotypen auch heute das übliche Sprechen über Gott und Glauben prägen. Liturgien und Unterweisungen über theologische Themen sollten darum immer wieder auf ihre Verständlichkeit für die Hörerschaft von heute überprüft werden. Eine gender-gerechte, anti-patriarchale und anti-imperiale Sprache ist anzustreben: eine Beziehungssprache, vertrauend, multi–dimensional, eben: katholisch, tastend zwischen Bibel, Tradition(en), Lehramt, Sensus fidelium. Dabei ist die Grenze allen Sprechens zu beachten: Auch im Schweigen und in der Stille wird der Glaube ausgedrückt und erfahren.