Religion und Kirche sind niemals ein Zweck an sich, sondern haben ihre Daseinsberechtigung in ihrem „Dienstcharakter“ an der Welt. So zumindest betont es eine Theologie, die sich prophetisch und widerständig versteht und der es nicht um Machterhalt und Besitzstandswahrung geht. Wir befinden uns heute in verschiedener Hinsicht in der „Krise“: Gesellschaftlich zeichnen sich Umwälzungen ab, deren Dimensionen wir nur erahnen können. Viele der sozialen, kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Errungenschaften der letzten fünfzig Jahre scheinen in Gefahr zu sein; überall wird der Sozialstaat abgebaut, gerät die Arbeitswelt noch mehr unter den Druck des Kapitals und macht sich der Klimawandel immer schmerzhafter bemerkbar.
Aber auch bei den Bereichen von Religion und Kirche sind bedenkliche Entwicklungen festzustellen. Während sich ein Teil davon in fundamentalistische Positionen flüchtet und auch vor Gewalt nicht zurückschreckt, fokussieren sich andere Kreise auf die eigenen Strukturfragen, den Erhalt der reinen Lehre oder auch um die spärlicher werdenden Finanzen. Die prophetische und gesellschaftskritische Dimension von Religion und Kirche bleibt dabei weitgehend auf der Strecke, obwohl deren engagierte Stimmen für eine Orientierung in einer von der Sinnkrise erfassten Welt umso dringender wäre.
Die Katholischen Dialoge 2015/2016 stellen sich diesen Herausforderungen und versuchen, die prophetische Dimension der jüdisch-christlichen Tradition erneut in den Mittelpunkt zu stellen. Die lateinamerikanische Befreiungstheologie sieht in dieser Dimension zwei wichtige Aufgaben: das Anklagen von Missständen und Irrwegen (denuncia) und die Ankündigung von Befreiung und eines neuen Himmels und einer neuen Erde (anuncio). Wie Blitzlichter sollen ein paar prophetische Einwürfe Licht auf wichtige gesellschaftliche Brennpunkte unserer Zeit werfen.
Die Dialog-Werkstatt steht allen Menschen offen, denen die gesellschaftskritische, „subversive“ und utopische Dimensionen von Religion und Kirche wichtig sind und die sich weigern, sie fundamentalistischen und in sich gekehrten Kreisen zu überlassen. Besonders angesprochen sind die Vermittlerinnen und Vermittler der befreienden christlichen Botschaft: TheologInnen, PastoralarbeiterInnen und Pfarrer, KatechetInnen und GemeindeleiterInnen, ÖffentlichkeitsarbeiterInnen und Verantwortliche in Kirche und religiöser Öffentlichkeit.