Anfragen in Erinnerung an die Geist-Wehen vor 50 Jahren
“Mit Recht dürfen wir annehmen, dass das künftige Schicksal der Menschheit in den Händen jener ruht, die es verstehen, den Generationen von morgen Gründe zu geben, um zu leben und zu hoffen.” (Gaudium et spes 31)
Die katholische Kirche kommt nicht zur Ruhe. Das wäre zwar ohne das Zweite Vatikanische Konzil kaum anders. Doch dieses Konzil hat sich die Unrast der Welt zu Eigen gemacht. Die Zeichen der Zeit sind seither jene Unruhe, ohne die in der Kirche so wenig läuft wie in einer Uhr.
Wenig bis gar nichts mehr läuft in der katholischen Kirche! So klagen viele die gegenwärtige Kirchenführung an und berufen sich auf aufrüttelnde und vorwärtsweisende Aussagen des Konzils. Auch die Katholischen Dialoge haben sich im Winter 2012/13 nochmals neu mit dem Konzil auseinandergesetzt:
- Wir sind das Volk Gottes!
„Wer aus der Taufe gekrochen ist, ist Priester, Bischof und Papst“ (Luther). - Theologie der Befreiung – eine Frucht des Konzils
Das Reich Gottes und die Würde des Menschen. - Ohne Frauen keine Kirche!
Erinnerungen an das Aggiornamento des Konzils. - Orte der Kirche sind auch Orte der Freiheit
Der Kampf zwischen Freiheit und Wahrheit am Konzil. - Die Zeit der Orden und die Zeichen der Zeit
Krisen kündigen eine Transformation an. - Was man gemeinsam machen kann, muss man gemeinsam tun!
Die Spaltung der Kirchen ist ein Evangeliums-widriges Ärgernis.
Aus all dem ergibt sich ein gerüttelt Mass an Fragen. So freuen wir uns, dass Bischof Felix Gmür von Basel sich diesen Fragen stellt. Zwar wurde er erst ein Jahr nach Ende des Zweiten Vatikanischen Konzil geboren. Doch dessen befreiende und manchmal unbequeme Visionen haben ihn längst eingeholt und werden ihn auch in den nächsten 50 Jahren nicht in Ruhe lassen. Welche Gründe kann der Bischof den Generationen von morgen geben, um zu leben und zu hoffen?
Unter der Leitung von Erwin Koller konfrontieren die Verantwortlichen von der Initiativgruppe* der Katholischen Dialoge den Bischof mit Ergebnissen ihrer Reflexion. Im Anschluss daran ist das Publikum eingeladen, dem Bischof Fragen zu stellen.
Medienmitteilung: Luzern: Bischof Felix Gmür äusserte sich zu heissen Eisen der katholischen Kirche – „Das Konzil nicht bloss feiern, sondern verwirklichen“
Von Benno Bühlmann / 24.5.13 (Kipa)
Über 100 Personen nahmen an einem Podiumsgespräch in Luzern zum Abschluss der Dialoge Fünfzig Jahre Konzilsbeginn teil. Eingeladen war der Basler Bischof Felix Gmür, der sich am Montagabend im RomeroHaus zu zahlreichen heissen Eisen der katholischen Kirche äusserte. Ein brisantes Thema war in diesem Zusammenhang auch die Frage nach der Einführung eines frauenspezifischen Diakonenamtes ohne Weihe, wie sie derzeit in Deutschland diskutiert wird.
Bischof Felix Gmür, Erwin Koller und Leo Karrer (v.l.n.r.) am Podiumsgespräch „Fünfzig Jahre Konzilsbeginn“ in Luzern (Bild: Benno Bühlmann / Aufnahme 2013) |
Als Abschluss der Katholischen Dialoge zum 50-Jahr-Jubiläum des Konzilsbeginns veranstaltete das Luzerner RomeroHaus zusammen mit dem Verein tagsatzung.ch eine gut besuchte Veranstaltung, die dem Motto gewidmet war: „Das Konzil nicht bloss feiern, sondern verwirklichen“. Unter der Leitung von Erwin Koller, Begründer der Sternstunden des Schweizer Fernsehens, kam an diesem Abend ein breites Spektrum von aktuellen Themen zur Sprache: Wie steht es nach dem Konzil um Verhältnis von Laien und Amtsträgern in der katholischen Kirche? Bietet die Kirche, die sich seit dem Konzil als Volk Gottes definiert, genügend Möglichkeiten der Partizipation und Mitbestimmung – auch und gerade für Frauen? Wie steht es heute um die Option für die Armen, wie sie von der Befreiungstheologie in Lateinamerika eingefordert wurde? Welche Fortschritte sind in der Ökumene wahrnehmbar? – Fragen über Fragen, die weit mehr Diskussionsstoff boten, als in der zur Verfügung stehenden Zeit auch bewältigt werden konnte…
Zweites Vatikanum bleibt unbequem…
Ausgangspunkt für die angeregte Diskussion im RomeroHaus bildete ein brisantes Zitat von Papst Franziskus, der im April in einer Predigt die mangelhafte Umsetzung des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) mit folgenden Worten beklagte: „Wir feiern dieses Jubiläum und es scheint, dass wir dem Konzil ein Denkmal bauen, aber eines, das nicht unbequem ist, das uns nicht stört.“ Und er fuhr fort: „Wir wollen uns nicht verändern und es gibt sogar auch Stimmen, die gar nicht vorwärts wollen, sondern zurück: Das ist dickköpfig, das ist der Versuch, den Heiligen Geist zu zähmen. So bekommt man törichte und lahme Herzen.“
Auf diese Aussagen des Papstes angesprochen, meinte Bischof Gmür, dass der Vorwurf der Bequemlichkeit durchaus berechtigt sei. Die verbreitete Konsum-Mentalität sei auch in der Kirche deutlich spürbar, meinte Gmür: „Viele sind es sich heute gewohnt ausgiebig zu konsumieren und ihre Konsumgüter auch schnell wieder zu wechseln.“
Hat die katholische Kirche in Strukturproblem?
Zudem bestehe gerade auch in der Schweiz eine gewisse Gefahr einer Überstrukturierung der Kirche, monierte der Basler Bischof. Allerdings entgegnete Leo Karrer, emeritierter Professor für Pastoraltheologie an der Universität Freiburg, dass die aktuellen Reformanliegen der kirchlichen Basis immer auch mit Strukturfragen verknüpft seien.
Die katholische Kirche müsse ihre Strukturen heute so gestalten, dass innerhalb der Kirche auch Dialog und Partizipation möglich sei. Da schaffe das zentralistisch übersteuerte System der katholischen Amtskirche nach wie vor zahlreiche Probleme. Vor allem die fehlende Streitkultur sowie die Tabuisierung aktueller Probleme füge der Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche grossen Schaden zu.
Umstrittenes Diakonat der Frauen
Eines dieser Tabu-Themen – so kam beim Podiumsgespräch deutlich zum Ausdruck – stellt die Frage nach der Stellung der Frauen in der katholischen Kirche dar. So nahm die Luzerner Theologin Li Hangartner denn auch die Gelegenheit wahr, den Basler Bischof auf die aktuelle Diskussion in Deutschland rund um die Einführung eines frauenspezifischen Diakonenamtes anzusprechen. „Ich weiss nicht, was ich von diesem Vorschlag halten soll“, meint Hangartner und äusserte ihren Verdacht, dass es sich hier letztlich um eine Mogelpackung handle, die bei genauerer Betrachtung der Forderung der Frauen nach Gleichberechtigung nicht gerecht werde.
Bereits im Februar hatte der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper eine spezielle Diakoninnenweihe für Frauen in der katholischen Kirche ins Gespräch gebracht. In einem Vortrag anlässlich der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz stellte Kasper in Trier die Frage, ob die katholische Kirche nicht „angesichts der neuen Herausforderungen“ ein sakramentales Amt für Frauen vorsehen könne, das „ein eigenes Profil“ hätte. In Deutschland war die Rede von einer Art Gemeinde-Diakonin, also von einem frauenspezifischen Diakonenamt „ohne Weihe“. Laut Li Hangartner bestehe durch diese deutliche Abgrenzung von der Priesterweihe die Gefahr, dass mit einem solchen Schritt die Absage an eine Frauenordination definitiv zementiert sei.
Bischof Felix Gmür meinte dazu, dass er sich persönlich für ein Diakonat für Frauen stark machen würde, aber nicht in der Ausgestaltung, wie sie derzeit in Deutschland vorgeschlagen werde. „Wenn schon müsste es sich um ein normales Diakonenamt handeln, wie es auch für Männer vorgesehen ist.“ Und er fügte hinzu: „Entschuldigen Sie mir bitte diesen Vergleich, aber das kommt mir letztlich vor wie alkoholfreies Bier“, sagte Felix Gmür und hatte damit im Publikum die Lacher auf seiner Seite.
Medienmitteilung: Ökumene: Fortschritt nur durch Machtverzicht
Paul Jeannerat / 27. Mai 2013 (Kipa)
Ökumene wurde als eine der Hauptaufgaben des Zweiten Vatikanischen Konzils bezeichnet (Unitatis redintegratio). Doch Schritte zur Anerkennung der reformatorischen Kirchen als Teilkirchen sind schwierig. Denn nach römisch-katholischem Verständnis ist die apostolische Autorität an bestimmte Menschen gebunden (apostolische Sukzession). Fortschritte in der Ökumene haben deshalb eine schier unüberwindliche Grenze dort, wo Strukturen verändert und Macht abgegeben werden müssten.
Im kirchlichen Alltag hingegen ist die ökumenische Zusammenarbeit seit dem Konzil selbstverständlich geworden. Damit diese glaubhaft ist, braucht es Toleranz, Respekt, gegenseitige Wertschätzung, auch Freundschaft und besonders – Liebe. So ist Ökumene eine eschatologische Herausforderung.
Dies sind die Hauptthesen, die am 21. Katholischen Dialog zu „50 Jahre Zweites Vatikanisches Konzil“ im RomeroHaus Luzern vorgebracht und diskutiert wurden. In einem ersten Referat bezeichnete der ehemalige Chefredaktor der Schweizerischen Kirchenzeitung, Rolf Weibel, als die heute drängende ökumenische Frage: Wann ist eine christliche Glaubensgemeinschaft eine echte Teilkirche? Die orthodoxen und die orientalisch-orthodoxen Kirchen als echte Teilkirchen anzuerkennen hat die römisch-katholische Kirche keine Mühe, die reformatorischen und die pentekostalen Kirchen hingegen haben ein Verständnis der apostolischen Sukzession, das der römisch-katholischen Kirche deren Anerkennung als Teilkirche schwierig macht. Da in entscheidenden Fragen des Glaubens Einigkeit erarbeitet werden konnte (zum Beispiel: Rechtfertigung), gibt es nun als Weg zur Einheit nur noch den persönlichen: Es braucht kirchliche Amtsträger, die bereit sind, Strukturen zu verändern, selbst wenn damit für sie selbst ein Verlust an Macht gegeben ist.
Zusätzlich erschwert wird die Ökumene durch eine kulturelle Wandlung der sechziger Jahre, die der kanadische Sozialphilosoph Charles Taylor expressive Revolution nennt: Man fragt nicht, was wahr ist, sondern was für mich wahr ist. Das hat in der katholischen Kirche zur Folge, dass für viele Gläubige Authentizität wichtiger ist als rechte Lehre. Ein kranker Mensch ist dankbar, wenn eine Seelsorgerin oder ein Seelsorger ihn einfühlsam begleitet, und er fragt nicht nach Weihe und Amt. Professionelle Qualität wird höher gewichtet als Amtsvollmacht.
Charlie Wenk, Leiter der Ökumenischen Gemeinde Halden in St. Gallen, legte dar, welche Möglichkeiten sich aus einer überzeugten ökumenischen Haltung in der Seelsorgepraxis ergeben. Damit Ökumene authentisch ist, braucht es gegenseitig Respekt, Wertschätzung und Freundschaft. Kontrollinstrument für die Ökumene ist das christliche Liebesgebot zu Gott, zum Nächsten und zu sich selbst.
Charles Wenk weitete den Blick auf den ganzen Weltkreis aus, indem er forderte, dass sich Ökumene künftig über den christlichen Horizont auf die anderen Weltreligionen beziehen und demnach interreligiös ausgerichtet sein müsse.